Wie ist das Leben auf der Erde entstanden? - Theorien

Zeitleiste, die wichtigste Momente in der Entstehung des Lebens zeigt. Vom Uhrknall bis heute.
Diese Zeitlinie zeigt einige der wichtigsten Meilensteine in der Evolution des Lebens auf der Erde.

Obwohl die Grafik zeigt, dass das Leben vor ca 3.7 Mrd. Jahren entstanden ist, ist dieser Zeitpunkt keinesweg festgelegt und das Leben ist womöglich noch früher entstanden. Weil immer wieder Hinweise auf ein noch früheres urzeitliches Leben entdeckt werden. Die gefundene fossile Mikroorganismen waren bereits biologisch komplex:  Sie hatten eine Zellmembran bzw. eine Proteinkapsel, die DNA von der Umgebung schützte und in deren Innere bereits der Stoffwechsel aktiv war. DNA und Proteine und schon gar nicht der Stoffwechsel entstanden nicht über die Nacht, auch nicht über 100.000 Jahre. Das dauerte deutlich länger. Deswegen gehen die Wissenschaftler davon aus, dass die Entstehung des Lebens noch früher angefangen ist.

Eines ist sicher und die Beweise sind eindeutig und jenseits aller Zweifel: das Leben ist mindestens vor 3.5 Mrd Jahren entstanden. Es wurden Fossilien von Dinosaurier gefunden, es wurden Fossilien von urzeitlichen Mikroorganismen gefunden, die lange vor den Dinosaurier gelebt haben. Es gibt dabei nur ein Problem: die Fossilien bestätigen die Evolution und sind ein Beweis für ein Leben vor vielen Milliarden Jahren, aber beantworten überhaupt nicht die Frage, wie das Leben eigentlich entstanden ist. Um diese Frage zu beantworten muss man so weit wie möglich zurück zu den Ursprüngen gehen. Alles Leben besteht aus organischen Molekülen: von komplexen Aminosäuren, Kohlenhydraten, Fettsäuren bis hin einfacheren organischen Verbindungen. Die Lösung der Mysterie, wie das Leben entstanden ist, liegt in der Beantwortung der Frage, wie diese organische Verbindungen entstanden sind.


Urzeit-Suppe

Den ersten Schritt in diese Richtung hat ein russicher Biochemiker Alexander Oparin gewagt. Im November 1924 hat er seine Arbeit als kleines Buch mit dem Namen "Der Ursprung des Lebens" veröffentlicht. In seiner Arbeit hat er folgendes vorgeschlagen: Den komplexeren Lebensformen (von uhrzeitlichen Mikroorganismen über urzeitlichen bis zu modernen Flora und Fauna) ist eine lange Periode von abiotischen Syntheseprozessen vorausgegangen. Die abiotischen Syntheprozessen sorgten für eine Akkumulation von organischen Molekülen in urzeitlichen Meeren. Diese Akkumulation von organische Molekülen in Meeren bezeichnet man heute als die Urzeit-Suppe (primordial soup).

In der urzeitlichen Erde war Sauerstoff nur in Verbindung mit anderen Elementen zu finden und dieser Sauerstoff stand den Lebensprozessen nicht zur Verfügung (anaerobische Bedingung). Alexander Oparin's zentraler Vorschlag war, dass die erste Organismen, die unter solchen anaerobischen Bedingungen entstanden sind, mussten heterotrophen Bakterien sein. Ein heterotrophes Organism kann die organische Stoffe nicht selbst bilden und muss diese Stoffe aus der Umgebung aufnehmen. Ein heterotrophes anaerobes Mikroorganismus hat einen einfacheren Stoffwechsel im Vergleich zu den aeroben Organismen oder Organismen, die alles nötige selbst bilden können (z.B. Pflanzen: sie bilden die nötige Energie über das Sonnenlicht).


Urzeit-Suppe und der Blitz

Der nächste Schritt in dieser Richtung wurde erst ca. 28 Jahre später gemacht. Zwei Wissenschaftler von der Universität Chicago, Stanley Miller und Harold C. Urey, machten einen Experiment basierend auf die Ideen von Alexander Oparin. Miller hat sich stark gewundert, warum in der ganzen Zeit niemand die Ideen von Oparin weiterentwickelt und Experimente durchgeführt hat. Miller und Urey bauten einen Apparatus, der die Zustände der urzeitlichen Erde, die urzeitliche Atmosphäre mit allen Gaskomponenen und die Urzeitsuppe nachempfunden hat. Die Reaktionen in ihrem Apparatus haben Miller und Urey mit der elektrischen Funke angestoßen. Eine lange Zeit war die akademische Welt damals stark davon überzeugt, dass die wichtigste Energie für die chemische Reaktionen in der Urzeit die Blitze waren. Jepp, wie beim Frankenstein's Monster. Es war ein ziemlich eifacher Experimentaufbau. Miller und Urey haben fast 50% von dem urspünglichem Kohlenstoff in der experimentiellen Atmosphäre in der Form von Methan in organische Verbindungen umgewandelt. Ein Teil von diesen organischen Verbindungen waren Aminosäuren: Glycin und Alanin. Dieser Experiment hat die Ideen von Oparin bestätigt und lieferte den Beweis, dass Aminosäuren tatsächlich so entstanden sein konnten. Für Alexander Oparin, Stanley Miller, Harold C. Urey und viele anderen, die Essenz des Lebens waren die kontinuierliche Stoffwechsel-Prozesse, die sich immer unermüdlich weiter entwickelt haben. D.h. für sie war die Entsteung des Lebens kein Zufall.


"Gene zuerst" Model - die Welt der RNA

Die Arbeit von Miller und Urey war nur ein Paar Wochen nach Watson und Crick's berühmten DNA-Artikel veröffentlicht. Watson und Crick haben die doppel-helikale Struktur der DNA beschrieben. Der amerikanische Biologe und Genetiker Hermann Joseph Muller (ja, er ist ein Amerikaner trotz deutschen Namen) nutzte diese Entwicklungen für seine Theorie: das erste urzeitliche Molekül war eine DNA und nicht eine Aminosäure oder andere organische Verbindungen. Muller sagte dazu: "der urzeitliche Ozean, die riesige Schüssel mit der Suppe. Wirf eine Nukleotidkette rein und sie wird früh oder später sich vermehren". Für Hermann J. Muller war die DNA gleichgesetzt mit dem ersten Leben und somit das Leben mit einer plötzlichen Entstehung der ersten DNA begonnen haben müsste.

Im Verlauf der nächsten Jahren hat sich das Verständnis von Nukleinsäuren verbessert und das führte zu gut argumentierten Vorschlägen, dass die RNA der DNA vorausgegangen sein müsste. Sogar Alexander Oparin selbst musste irgendwann einsehen, dass die Rolle der Nukleinsäuren in der Entstehung des Lebens viel größer sein müsste als ursprünglich angenommen.

Warum denn ausgerechnet die RNA? Das Problem zu dieser Zeit war zu verstehen, wie eine Nukleinsäure Proteine synthesieren konnte, was war eigentlich die Beziehung zwischen RNA und Proteinen. Man weiß ja mittlerweile, dass eine RNA für Proteine kodiert, auch für solche Proteine, die als chemische Katalysatoren funktionieren (Enzyme). Der Hacken an der Sache ist: die Enzyme selbst müssten ja zuerst irgenwie erzeugt werden. Eine DNA ist ein Informationsspeicher. Sie kann nicht selbst Proteine synthesieren, da sie katalytisch unfähig ist. In den 60er Jahren wurde ein Vorschlag gemacht, dass die ersten Lebensformen auf der RNA, als genetischer Speicher UND als Katalyst, basierten.

Es kam später als eine große Überraschung, als man herausgefunden und bewiesen hat, dass RNA's tatsächlich sowohl als genetisches Material als auch als Katalysatoren funktionieren (= Ribozyme). Dazu kamen die Fortschritte in der Evolutionsbiologie, als gezeigt wurde, dass kleine Unterteile der RNA's als phylogenetische Brotkrümmel durch die Evolution benutzt werden können, um die evolutionäre Entwicklung zurück in der Zeit zu verfolgen und zu zeigen, wie Lebewesen untereinander evolutionär verwandt sind.

Genau auf Grundladen der RNA als phylogenetischen Marker wurde das moderne Evolutionsbaum konstruiert, in dem alle Lebewesen in drei Kategorien sortiert wurden, von denen sie abstammen: Bakterien, Archaeen, Eukaryota. Diese Ergebnisse haben die Idee von der RNA als erste notwendige Voraussetzung für das Leben weiter zementiert.

Somit hörte diese Idee auf eine Idee zu sein und wurde zu einer wissenschaftlichen  Theorie, an deren Bestätigung (oder Falsifikation) systematisch gearbeitet wird.

Die Theorie von der RNA-Welt stieß aber sehr schnell auf ein großes Problem: die phylogenetische Analysen können die Evolution nur bis zu einem gewissen Evolutionsstadium zurück verfolgen, als die RNA und Proteine bereits existierten. Es sieht aus, dass die molekular-phylogenetische Analysen nur bis zum RNA-Protein-Stadium der Lebensentwicklung funktionieren. Eine Zurückverfolgung noch tiefer in der Zeit ist nicht mehr möglich, weil die unvorstellbar lange Zeit alle weiteren Spuren verwischt hat. Eine neue Idee oder ein Paradigmenwechsel muss her.


Hydrothermale Tiefsee-Quellen und das "Stoffwechsel zuerst"-Model

ABER: die genaue Analyse des Evolutionsbaums und der recht aufwendige Vergleich aller Organismen hat neue Erkenntnisse produziert: die Vorfahren von Bakterien und Archaeen haben bei den hohen Temperaturen von ca. 90°C  und mehr gelebt. Viele Vertretter der Bakterien und Archaeen leben heute noch bei solchen hohen Temperaturen (und anderen extremen Bedingungen), vor allem in und um die hydrothermalen Quellen auf dem Grund der Tiefseen. Eine neue Theorie hat sich aufgedrängt, dass das Leben möglicherweise in den urzeitlichen hydrothermalen Tiefsee-Spalten entstand. Die hohe Temperatur lieferte die Energie und aus den Tiefen der Erde kamen chemische Verbindungen, die in dieser Form die Entstehung des Lebens und vor allem den urzeitlichen Stoffwechsel angestossen haben konnte.

Zugegeben, Experimente und Analysen haben gezeigt, dass in den hydrothermalen Quellen viel weniger organische Verbindungen im Vergleich zu der Urzeitsuppe-Model entstehen konnten. Die gleichen Experimente lieferten aber ernst zunehmende Beweise, dass die organische Verbindungen, vor allem Stickstoff- und Schwefel-enthaltende Verbindungen, für den ersten Stoffwechsel verantwortlich sein konnten.
Diese Sichtweise liefert eine gute Erklärung und gleichzeitig ein neues Model: das Entstehen eines Stoffwechsels in den hydrothermalen Tieffsee-Quellen und die Formation einer Schutzhülle in Form der biologischen Vesikeln zum Schutz des Stoffwechsels war DER Funke, der das Leben in das Leben eingehaucht hat. Sorry für diesen flachen Wortspiel...konnte es mir nicht verkneifen. Nach dieser Theorie war die Entstehung des Stoffwechsels eine Voraussetzung für die Entstehung der genetischen Komponente des Lebens.
Viele neue Experimente liefern Ergebnisse, die das Stoffwechsel-zuerst-Model bestätigen. Aber was dieses Model jetzt braucht, ist eine experimentielle Bestätigung, dass der urzeitliche Stoffwechsel sich replizieren konnte, wie die DNA es kann, vereinfacht gesagt. Bis jetzt gibt es eine solche Bestägigung nicht. Das ist eine Herausfoderung, die die ganze Forschung spannend macht. Aber so ist halt die Forschung.


Panspermie - Theorie

Eine weitere ziemlich faszinierende Theorie kommt von der Astrobiologie. Alles begann aber nicht in der Astrobiologie sondern in der Astronomie. In den 1960er war einer der Forschungsschwerpunkten in der Astronomie die Zusammensetzung des kosmischen Staubs. Warum ausgerechnet in den 1960er? Weil es endlich technisch möglich war, den kosmischen Staub im Weltall von der Erde aus in seiner Zusammensetzung zu analysieren. Der kosmische Staub hat einst die Astronomen sehr lange so ziemlich richtig frustriert, weil er alles verzerrt und verdeckt hat, was Astronomen beobachten wollten. Als die Astronomen  angefangen haben, die Zusammensetzung des kosmischen Staubs zu untersuchen, hat es sich herausgestellt, dass der kosmische Staub ein wichtiger Bestandteil von astrophyschen Prozessen war. Und noch mehr: die festen Staubpartikel lieferten eine Oberfläche, auf der sich eine Vielzahl von einfachen und komplexen chemischen Verbindungen bilden konnten. Und einige von diesen chemischen Verbindungen sind organisch und spielen eine wichtige Rolle in der Entstehung des Lebens...Ausgerechnet diese, für das Leben wichtige komplexe organische Verbindungen, werden auf der Oberfläche der interstellaren Staubpartikel und Meteoriten gefunden. Selbst in den gasförmigen Nebulas wurden über 100 organischer Verbindungen identifiziert. Aber die noch komplexere organische Verbindungen werden eher auf den Oberflächen der Staubpartikel gefunden. Eigentlich ist das nicht überraschend, da im interstellarem Raum mehr als genug Atome und Moleküle vorhanden sind, die permanent Energie von Photonen und kosmischen Strahlung aufnehmen und neue chemische Verbindungen generieren.

1985 starteten die Raumsonden VEGA 1 und 2 (UdSSR) und GIOTTO (ESA), um Halley'sche Komet zu untersuchen. Die Sonden sendeten erstaunliche Ergebnisse zur Erde zurück: der größte Teil des Kometkerns bestand aus komplexen organischen Molekülen... .

Die Überzeugung, dass die Urzeitmoleküle des Lebens direkt auf der Erde entstanden sind, wurde durch Alexander Oparin und Müller-Urey-Experiment vorangetrieben. Alle Theorien und Modellen kommen relativ schnell in eine Erklärungsnot und die Ursache für diese Erklärungsnot ist folgendes: die urzeitliche Erdatmosphäre war fast reines CO2. Bei soviel CO2 gibt es nicht viel Möglichkeiten, wie die urzeitliche organische Moleküle entstanden haben konnten. Dazu kommt noch der Fakt, dass unserer Planet seit seiner Formation mit unzähligen kosmischen Objekten bombardiert wurde. Noch spannender: die Erde wird mittlerweile von kosmischen Objekten eigentlich nicht so oft bombardiert, aber in den ersten 700 Mio Jahren nach ihrer Formation, wurde die Erde von den Kometen und Meteoriten fast zerbombt. Die Erde wurde in dieser Zeit ca. 15-20 Mio Mal von den kosmischen Objekten getroffen. 15-20 Millionen Mal!!! Ausgerechnet in dieser Zeit entstand das Leben zum ersten Mal. Ein Zufall? So ist man zu der Hypothese gekommen, dass die molekulare Bausteine des Lebens von den kosmischen Objekten eingeschleppt wurden. Fast so, als ob wir unseres Leben den Kometen und Meteoriten zu verdanken haben, den gleichen Kometen die schon mal für flächendeckendes Absterben der urzeitlichen Lebewesen verantwortlich waren. Und so ist die Panspermie-Theorie geboren. Das spannende dabei ist, dass die Panspermie-Theorie auch ein gutes Recht auf die Existenz hat, obwohl diese Theorie ziemlich schwierig zu beweisen ist.

Es bleibt spannend, welche neue Erkentnisse und Paradigmenwechsel die Zukunft bringt...

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