ADHS und Amphetamine

Am Ende einer Aufmerksamkeitsspanne ist immer eine Katze.


Ich wurde gebeten, Amphetamine und ADHS zu erklären. Und das mache ich sehr gerne!

Molekulare Mechanismen von Amphetamin:

Amphetamin hat eine starke strukturelle Ähnlichkeit mit Monoaminen (Noradrenalin und Dopamin): ein Benzolring und eine C-Kette mit einer Aminogruppe am Ende. Genau dieser Benzolring und die Aminogruppe sind wichtig für Monoamine-Wiederaufnahme-Transporter, sowohl für Noradrenalin- als auch für Dopamin-Transporter. Eine zusätzliche Problematik beim Amphetamin ist, dass Amphetamin auch den Serotonin-Transporter für den eigenen Transport in die Neurone die Irre führen kann, obwohl Serotonin eine andere chemische Klasse mit einer etwas anderen Struktur ist.

Kurze Beschreibung:

je höher die Amphetamindosis, desto höher ist die Neurotransmitter-Konzentration im synaptischem Spalt, desto stärker ist der Effekt vom betroffenen Neurotransmitter, der länger andauert, als es gesund ist. Wird Amphetamin regelmäßig eingenommen, können die Effekte chronisch werden. Die chronische Einname von Amphetamin führt zur ungünstigen Veränderung der synaptischen Plastizität und das Risiko der Neurotoxizität steigt deutlich schneller, als es einem lieb wäre.

Lange Beschreibung:

Amphetamine und Monoamine sind kompetitiv. D.h. diejenige Moleküle zum gegebenen Zeitpunkt die höhere Konzentration hat, diese Moleküle verdrängen andere Moleküle und lösen physiologischen Effekt an ihrem Transporter oder Rezeptor aus. D.h. also, je höher die Amphetamin-Konzentration ist, desto stärker verdrängt Amphetamin die endogene (=körpereigene) Monoamine und desto mehr Amphetamin wird in die prä- synaptische Membran tansportiert. In der prä- synaptischen Membran displaziert Amphetamin die endogene Monoamine von ihrem zytosolischem Pool.

Zytosolischer Pool: das ist die lokale Konzentration von Molekülen, meist in der Nähe ihres Wirkortes. So sind diese schneller verfügbar, sie sind auf Bereitschaft. Sobald ein Signal kommt, wird der zytosolischer Pool entleert und die ausgeschüttelte Neurotransmitter und sonstige Signal- oder Effektmoleküle können so schnell ihren physiologischen Effekt induzieren.

Und da Amphetamin in höherer Konzentration an den Synapsen vorliegt und Monoamine-Transporter überlisten, erzeugen Amphetamine den physiologischen Effekt diejeniger Rezeptoren und/oder Transporter, die an der jeweiigen Synapsen eine Mehrzahl darstellen. Z.B. an einer Synapse gibt es Noradrenalin, Dopamin und GABA-Rezeptoren. Die Dopamin-Rezeptoren sind aber im Verhältnis zu den anderen zahlenmäßig mehr. Das führt dazu, dass der Dopamin-Effekt an dieser Synapse überwiegt. An einer anderen Synapse kommt z.B. Noradrenalin-Rezeptor häufiger vor. Hier überwiegt der Noradrenalin-Effekt. Und was Amphetamin jetzt macht ist, er sorgt für eine andauernde hohe Konzentrierung der Monoamine im synaptischen Spalt und verstärkt den Effekt jeweiliger Neurotransmitter. Der Neurotransmitter-Effekt schießt über den physiologisch normalen Durchschnittswert.

Amphetamin hat eine starke Affinität für VMAT2 (vesicular monoamine transporter 2). Dieser Transporter nimmt endogene Monoamine aus dem synaptischem Spalt wieder auf, und verpackt sie in die Vesikeln, so dass die aufgenommene Monoamine wieder für das nächste Signal bereit stellen. Amphetamine kehren die Richtung von diesem Transporter um, was heißt, anstatt die ausgeschüttelte Monoamine wieder aufzunehmen, VMAT2 pumpt noch mehr Monoamine in den synaptischen Spalt rein. Die Wiederaufnahme der Neurotransmitter aus dem synaptischem Spalt zurück in die präsynaptische Membran ist das wichtigste Mechanismus zum Beenden der Neurotransmitterwirkung. In der präsynaptischen Membran werden die Neurotransmitter entweder degradiert oder eher wieder in die Vesikeln verpackt und für den nächsten Signal bereit gestellt. Amphetamin bringt das durcheinander: wie gesagt, kehrt Amphetamin die Pumprichtung der Transporter um. Anstatt Neurotransmitter wiederaufzunehmen, werden noch mehr 
Neurotransmitter in den synaptischen Spalt gepumpt.

Hier sorgt Amphetamin für ein zweites Problem: Amphetamin wird in die präsynaptische Membran aufgenommen. Dort sorgt Amphetamin auf anderen Wegen dafür, dass Monoamine zusätzlich auf ganz unphysiologischem Wege passiv durch die präsynaptische Membran in den synaptischen Spalt diffundieren.

Amphetamin als Wirksubstanz ist nicht selektiv für bestimmte Transporter der Neurotransmitter. D.h. Amphetamin hat keine Vorliebe für einen bestimmten Transporter und beeinflußt somit alle drei Transporter für Noradrenalin, Dopamin und Serotonin.

Oft wird Amphetamin als Monoamin-Wiederaufnahme-Inhibitor bezeichnet. Diese Bezeichnung ist eigentlich falsch, da Amphetamin kein Inhibitor ist. Sondern, Amphetamin ist ein kompetitives Substrat, das also in Konkurrenz zu körpereigenen Neurotransmittersteht steht. Ein kompetitives Substrat bedeutet, dass das Substrat mit höhster Konzentration andere Substrate mit niedrigerer Konzentration verdrängt.

Die pharmakologische Wirkungsweise von Amphetamin ist akkummulativ: es entsteht eine verstärkte körpereigenen Monoamin-Ausschüttung. Die ausgeschüttelte Monoamine können nicht wiederaufgenommen werden, weil Amphetamin die Pumprichtung der Transporter umgekehrt hat. Stattdessen werden noch mehr Monoamine ausgeschüttelt.

Aber was Amphetamin tatsächlich inhibiert, ist die Monoamin-Oxidase (MAO). Dieses Enzym deaktiviert körpereigene Monoamine. Amphetamin ist aber ein schwacher Inhibitor von MAO, aber inhibiert MAO nichtsdestotrotz.

Alles zusammen erhöht Amphetamin schnell die aktive bzw. effektive Konzentration der körpereigenen Monoamine im synaptischen Spalt.

Die Wirkung und die Nebenwirkungen von Amphetaminen beruhen also auf den gleichen Mechanismen, auf denen die körpereigene Neutrotransmitterwirkung beruht. Die Unterschiede in den Nebenwirkungen bestehen wohl darin, an welchen Synapsen und welchen ZNS-anatomischen Stellen zum gegebenen Zeitpunkt eine höhere Amphetamin-Konzentration vorliegt.

Schreibt in den Kommentaren, wenn ihr in diesem Artikel Ergänzungen sehen wollt oder ihr vermisst ein Paar Infos.

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